Eine Frage, die sich die meisten Arbeitgebenden und Beschäftigten stellen:
Wann wird die Arbeitszeiterfassung zur Pflicht?
Die Pflicht besteht schon seit Mai 2019 als die EuGH-Entscheidung fiel – die Umsetzung, wie dies zu erfolgen hat, ist allerdings den EU-Mitgliedsstaaten überlassen. Deshalb warten sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte auf kommende Gesetzesänderungen. Erst dann kann sicher gesagt werden, auf welche Weise die Pflicht einzuhalten ist.
Arbeitsgerichte stützen ihre Entscheidungen bereits auf die vom EuGH beschlossenen Zeiterfassungspflicht. Das Arbeitsgericht Emden entschied im Februar 2020: Unternehmen haben sich schon an die verpflichtende Zeiterfassung zu halten. Dieses Urteil verdeutlicht, dass eine systematische Aufzeichnung für Unternehmen bereits vorausgesetzt wird.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilte im September 2022 ebenfalls pro Zeiterfassungspflicht: In diesem Fall stützt sich das Urteil auf die EuGH-Beschlüsse und wendet diese auf das deutsche Arbeitsschutzgesetz an. Geleistete Arbeitszeiten müssen laut der Entscheidung durch ein geeignetes System erfasst werden.
Im April 2023 legte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vor. Dieses sieht zwei Regelungen zur Zeiterfassungspflicht vor:
- Unternehmen müssen laut § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG-E Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmenden aufzeichnen. Dies hat bereits am Tag der Arbeitsleistung zu erfolgen.
- Die Arbeitszeiterfassung muss elektronisch erfolgen. Es soll jedoch eine Übergangsphase geben, die insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen dazu nutzen können, eine geeignete Lösung zu finden. Auch die Nutzung von Tabellenprogrammen kann den Anforderungen genügen.
Ist die Zeiterfassung in Deutschland verpflichtend?
Ja. Laut BMAS gilt die Feststellung des BAG aus September 2022 als verpflichtend. Damit steht fest, dass die gesamte Arbeitszeit der Beschäftigten aufzuzeichnen ist. Die Einführung einer allgemeinen Pflicht zur Zeiterfassung ist in Deutschland dennoch nicht umfassend geregelt. Für Organisationen jeder Art und Größe ist es daher essenziell, die arbeitsrechtlichen Entwicklungen in Deutschland zu verfolgen und sich über Änderungen zu informieren. Auf der Informationsseite des BMAS finden Sie alle wichtigen Fragen und Antworten, zum Thema Zeiterfassungspflicht.
Die Zeiterfassungspflicht kann besonders einfach mithilfe von Softwarelösungen umgesetzt werden; Bild © Pexels.com
Der Fall des Arbeitsgerichts Emden zur Zeiterfassungspflicht
Das Arbeitsgericht Emden entschied zugunsten eines Arbeitnehmenden. Dieser hatte mithilfe von eigenen Stundenzetteln seine Arbeitsstunden dokumentiert. Mit der Dokumentation machte er fest, dass Stunden nicht vom Arbeitgebenden ausgezahlt wurden. Der Betrieb versuchte dies mithilfe eines Bautagebuchs zu widerlegen. Dieses Bautagebuch war dem Arbeitsgericht jedoch nicht objektiv, verlässlich und zugänglich genug und wurde daher als unzureichender Beweis eingestuft. So gab das Gericht dem Mitarbeitenden recht und stützte diese Entscheidung auf die verpflichtende Zeiterfassung für Unternehmen. Sie muss dort also schon heute stattfinden, auch wenn die europäischen Mitgliedsstaaten die Gesetzesentwürfe noch nicht überarbeitet haben.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
Ursprünglich handelte der Fall von den Möglichkeiten der Mitbestimmung eines Betriebsrats im Unternehmen und dem Initiativrecht, das im Betriebsverfassungsgesetz geregelt wird. Konkret ging es um die Mitbestimmung in Bezug auf die Einführung eines Zeiterfassungssystems. Verschiedene Instanzen gaben zunächst dem Unternehmen und anschließend dem Betriebsrat Recht. Im letzten Schritt zog das Bundearbeitsgericht einen Schlussstrich und bezog sich dafür nicht auf das ursprünglich diskutierte Initiativrecht des Betriebsrats, da es dafür keine Grundlage gäbe: „Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist“. Da das EuGH-Urteil zur Zeiterfassungspflicht jedoch bereits die Grundlagen für die Arbeitszeiterfassung festgelegt hat, „kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen“ – die Arbeitszeiterfassung sei demnach Pflicht und müsse im Unternehmen Anwendung finden.
Warum haben EuGH-Richter für die verpflichtende Zeiterfassung gestimmt?
Die Arbeitszeitrichtlinie des EU-Parlaments sowie die Charta der Grundrechte Entscheidungsgrundlage bildeten die Entscheidungsgrundlage für das bekannte Zeiterfassungsurteil des EuGH. Die Urteilsverkündung bezog sich auf diese Stützpfeiler: Alle europäischen Arbeitnehmer haben laut der Begründung den Anspruch darauf, dass sowohl Höchstarbeitszeiten als auch Ruhezeiten eingehalten werden. Eine systematische Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sei laut der Verkündung der einzige Weg und „[…] ein besonders wirksames Mittel, einfach zu objektiven und verlässlichen Daten über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu gelangen, und erleichtert dadurch sowohl den Arbeitnehmern den Nachweis einer Verkennung ihrer Rechte als auch den zuständigen Behörden und nationalen Gerichten die Kontrolle der tatsächlichen Beachtung dieser Rechte“.
Bis es konkrete Vorgaben dazu in der Gesetzesgrundlage gibt, können Unternehmen schon proaktiv handeln und bereits von einer zuverlässigen Erfassung profitieren.
Der EuGH entschied, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung systematisch, objektiv und zugänglich zu erfolgen hat. Verschiedene Arbeitsgerichte beziehen sich in der Urteilsfindung auf diese Pflicht; Bild © GFOS mbH
Welche Vorteile ergeben sich durch die Zeiterfassungspflicht?
Eine zuverlässige, objektive und zugängliche Stundenerfassung ist insbesondere für den Arbeitsschutz relevant – etwa bei der Einhaltung gesetzlicher Höchstarbeitszeiten oder Ruhezeiten. Des Weiteren ist eine genaue Aufzeichnung aber auch für Lohn- und Vergütungsfragen ausschlaggebend, wie es der Fall in Emden war. Arbeitnehmende und -gebende profitieren also von einer sauberen und systematischen Dokumentation. Die Vorteile liegen auf der Hand:
- Transparenz und Sicherheit
- Vereinfachte Payroll-Prozesse und Kostenersparnis durch die Reduzierung redundanter Arbeitsschritte
- Einfache Abbildung von flexiblen Arbeitszeiten durch Gleitzeitkonten
- Fairness durch Stundenausgleich
- Planungssicherheit bei der Personaleinsatzplanung durch zuverlässige Datengrundlage
- Gesteigerte Mitarbeiterzufriedenheit durch mehr Transparenz
So können Betriebe die Arbeitszeiten zukünftig erfassen
Da Gesetzgeber noch keine Vorschläge zur „Systematik“ gemacht haben, können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Wichtig ist, dass die Stundenerfassung elektronisch erfolgt. Dies hat unter anderem zum Vorteil, dass sich der Verwaltungsaufwand minimiert.
- Excel-Tabelle: Viele Unternehmen gehen bereits digital vor - sie nutzen Tabellenprogramme und Vorlagen zur Zeiterfassung für Excel, um die Zeiterfassungspflicht zu erfüllen. Doch auch hier gibt es Schwachstellen bei der anschließenden Zusammenführung und Auswertung der individuellen Zeitkonten. Außerdem dürfen die Tabellen aufgrund von Datenschutzvorgaben nur personenbezogen verarbeitet werden. Ab einer höheren Anzahl an Mitarbeitenden kann das enorme Aufwände verursachen.
- Digitale Arbeitszeiterfassung: Eine systematische Zeiterfassung ist spätestens ab einer bestimmten Betriebsgröße unerlässlich. Damit lassen sich unterschiedliche Zeitkonten sowie flexible Arbeitszeitmodelle digitalisieren und einfach abbilden. Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit können unter anderem am Terminal, im Web, mit einer App oder auf eine andere digitale Art erfasst werden. Schnittstellen für die Lohn- und Gehaltsabrechnung oder zum ERP-System sorgen zudem für eine reibungslose Integration in bestehende Softwarelandschaften. Für kleinere Unternehmen lohnen sich Systeme, die in der Cloud gehostet werden – diese sind einfacher zu implementieren und lassen sich bei Bedarf schneller skalieren.
Mit Zeiterfassungssoftware den Verwaltungsaufwand minimieren
Eins ist sicher: Mit einer professionellen Zeiterfassungssoftware können Unternehmen den Verwaltungsaufwand deutlich minimieren. Sämtliche Anforderungen können bereits von den unterschiedlichen Lösungen abgedeckt werden. Die Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie die Anbindung an weitere Bereiche aus dem Workforce Management, wie Employee Self Services, Personalplanung und mehr erfolgen dadurch deutlich einfacher. Gleichzeitig kommen Betriebe der systematischen, objektiven und zugänglichen Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nach und befolgen somit die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs. Zudem werden die Stunden durch die digitale Zeiterfassung auf elektronischem Wege festgehalten, wie es bereits vom BMAS vorgesehen ist.
Haben Sie bereits über die Einführung einer Software nachgedacht, um der Zeiterfassungspflicht nachzukommen? Gerne können Sie direkt einen unverbindlichen Rückruftermin oder eine Software-Demo mit unseren IT-Experten vereinbaren und sich ausführlich zu den unterschiedlichen Lösungen beraten lassen.
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