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Wird die deutsche Wirtschaft erfolgreich durch die digitale Transformation kommen? Ein Interview mit Dr.-Ing. Vivian Kuprat Institut für Fabrikanlagen und Logistik

Die praxisnahe Forschung spielt für die Analyse und konzeptionelle Weiterentwicklung von Logistik- und Produktionsprozessen eine erhebliche Rolle. Dabei geht es nicht nur um Theorien, sondern durch projektbezogene Kooperation mit der Industrie auch ganz klar um den praktischen Ansatz und Nutzen.

Dr.-Ing. Vivian Kuprat ist Leiterin Forschung und Industrie am Institut für Fabrikanlagen und Logistik der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover und Expertin u.a. für Arbeitsorganisation, Produktionsablauf- und Arbeitsplatzgestaltung, Qualifizierung und Kompetenzentwicklung sowie Lean Production.

Das Institut für Fabrikanlagen und Logistik zeichnet sich zum einen durch wissenschaftliche Forschung und theoretische Arbeit aus, zum anderen aber explizit durch praxisorientierte Projekte mit Partnern aus der Industrie – das ermöglicht einen umfassenden Einblick in das Produktionsmanagement. Wie nehmen Sie vor diesem Hintergrund die digitale Transformation der deutschen Industrie wahr?

Vivian Kuprat: Durch unsere praxisorientierten Projekte bekommen wir einen sehr guten Einblick in die betriebliche Realität und die aktuellen Problemstellungen und Herausforderungen unserer Industriepartner. Das Thema der digitalen Transformation steht bei vielen Unternehmen ganz oben auf der Umsetzungsliste. Es gibt jedoch deutliche Unterschiede zwischen kleinen, mittleren und großen Unternehmen bezüglich des Ausgangspunktes und des Umfangs solcher Digitalisierungsprojekte. Gemein ist allen jedoch das Bewusstsein, dass dieses Thema nicht unbearbeitet bleiben darf, wenn man auch zukünftig wettbewerbsfähig bleiben will. Viele Unternehmen sind auf diesem Weg schon ein großes Stück vorangegangen. In der Breite sehe ich jedoch noch erhebliches Potential. Dieses zu heben, wird eine der zukünftigen Kernaufgaben der deutschen Industrie sein.

Im Bereich der Forschung geht es oftmals um das Erarbeiten von Grundlagen und Standards, jedoch auch um das Entwickeln innovativer Konzepte. Sehen Sie eine große Diskrepanz zwischen den technologischen Möglichkeiten und der tatsächlichen Anwendung moderner und IT-gestützter Lösungen für die Industrie?

Vivian Kuprat: Ja und nein. Die Aufgabe der Forschung ist es, innovative Konzepte und Technologien zu entwickeln. Hierbei wird in der Breite geforscht und es werden verschiedene Möglichkeiten entwickelt. Nicht alles, was technologisch möglich ist, kommt (zum aktuellen Zeitpunkt) in der Industrie zur Anwendung. Insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen ist der Respekt vor IT-Systemen zum Teil noch sehr hoch. Um die Lücke zwischen theoretischen Möglichkeiten und praktischer Anwendung zielführend zu schließen, muss letztendlich immer der Mensch (Stichwort Change Management) mit einbezogen werden.

Für die Einführung spezifischer Technologien ist zudem das Thema Wirtschaftlichkeit aktuell immer noch das zentrale Entscheidungskriterium. Inwieweit eine technologische Möglichkeit es also in die Anwendung schafft, ist daher von den derzeit vorherrschenden politischen, gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen abhängig. Dass diese sich rasant ändern können, haben die letzten zwei Jahre eindrucksvoll gezeigt.

© Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover / Institut für Fabrikanlagen und Logistik

Kommen wir nochmals auf den umfassenden Einblick ins Fertigungsmanagement – wo sehen Sie die größten Potentiale und wo die höchsten Hindernisse der digitalen und zukunftsfähigen industriellen Produktion?

Vivian Kuprat: Ein großes Potential liegt in dem Einsatz künstlicher Intelligenz zur Interpretation der großen Datenmengen, die mittlerweile in vielen Unternehmen vorliegen. Diese sollte jedoch nicht blind zum Einsatz kommen, sondern mit logistischen Modellen und einem gewissen Grundverständnis logistischer Zusammenhänge kombiniert werden. Die zentrale Grundvoraussetzung ist dabei eine hohe Datenqualität. Nur wenn diese gewährleistet ist, kann mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz auch wirklich ein Mehrwert erzielt werden. Zudem ist das Thema Vernetzung zwischen den Partnern in der überbetrieblichen Lieferkette ein spannendes Thema. Um diese forcieren zu können, ist jedoch ein gewisser Standard erforderlich, der die Sicherheit bei der Datenübertragung gewährleistet.

Welche fundamentalen Empfehlungen würden Sie in Richtung der Politik aussprechen, wenn es um Rahmenbedingungen und Infrastrukturen geht? Und welche konkreten bzw. grundlegenden Maßnahmen empfehlen Sie Unternehmen, die Ihre Forschung und Beratung in Anspruch nehmen?

Vivian Kuprat: Ein grundlegendes Problem in Deutschland ist das Thema Geschwindigkeit bei der Umsetzung (und das gilt für alle Lebensbereiche). Sei es nun schnelles Internet, Stromtrassen für erneuerbare Energien oder der Ausbau von Infrastruktur. Alles dauert sehr lange. Eine Möglichkeit wäre es sicherlich, Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. Natürlich sollen dabei auch weiterhin die verschiedenen Belange berücksichtigt werden. Allerdings muss sich jeder auch fragen, ob die „Not in my backyard“-Mentalität wirklich angebracht ist. Zudem muss sich die Politik meiner Meinung nach in Bezug auf die Förderung innovativer Technologien breiter aufstellen und nicht nur auf ein Pferd setzen. Als Beispiel kann man hier den Automobilbereich nennen, wo der Fokus nur auf der Förderung von E-Autos zu liegen scheint. Es hat sich in der Vergangenheit schon oft gezeigt, dass das Pferd, auf das man als Erstes gesetzt hat, dann doch nicht das Rennen gemacht hat.

Da die Fragestellungen, mit den Unternehmen an uns herantreten, sehr unterschiedlich sind, sprechen wir in unseren Projekten die unterschiedlichsten Empfehlungen aus. Wichtig ist, diese konkret an den vorliegenden Bedarf anzupassen. Zudem zeigen wir den Unternehmen Entwicklungspfade auf. Ein zentraler Aspekt ist dabei jedoch immer, die aktuellen Prozesse in Unternehmen zu hinterfragen. Insbesondere, wenn man über Digitalisierung nachdenkt, müssen Schwachstellen in den Prozessen zunächst identifiziert und soweit möglich, behoben werden. Ein Unternehmen gewinnt nichts, wenn es einen schlechten Prozess digitalisiert oder eine hohe Datenqualität nicht gegeben ist.

© Shutterstock

Zum Abschluss interessiert uns noch Ihre Zukunftsaussicht – wird Deutschland und die deutsche Wirtschaft erfolgreich durch die digitale Transformation kommen und weiterhin weltweit konkurrenzfähig bleiben?

Vivian Kuprat: Auf jeden Fall. Wir haben in Deutschland eine Menge kluger Köpfe und es wird auch von politischer Seite aus versucht, für Forschung und Innovationen entsprechende Mittel bereitzustellen. Wenn wir es schaffen, an den richtigen Stellen Bürokratie abzubauen und damit die Implementierung von Innovationen zu beschleunigen, so bin ich mir sicher, dass die deutsche Wirtschaft auch zukünftig konkurrenzfähig bleibt.

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Das Know-how und die Innovationskonzepte, die an Institut für Fabrikanlagen und Logistik bestehen, können in Form von Beratung und Weiterbildungsangeboten wahrgenommen werden. Für Fragen zur Manufacturing Execution Systems-Software der GFOS mbH stehen Ihnen unsere IT-Expert*innen zur Verfügung. Vereinbaren Sie einfach direkt hier einen unverbindlichen Beratungstermin – wir freuen uns auf Ihre Anfrage!

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